Werbeagentur für Soziale Arbeit

Manchmal braucht es ein Gegenüber, das einem den Spiegel vorhält.

Manchmal braucht es ein Gegenüber, das dir den Spiegel vorhält.

Braucht es spezielle Werbeagenturen für Soziale Arbeit?

»Bloß niemand, der auch Werbung für Zahnpasta oder Reinigungsfirmen macht!« Wenn soziale Organisationen eine Werbeagentur suchen, hört man manchmal solche Sätze. Am liebsten wäre es manchen Kolleg*innen, das kreative Gegenüber käme selbst aus der Sozialen Arbeit.

Spezialisierung und Fachkenntnis können eine Abkürzung zum gemeinsamen Nenner sein – also z. B. zu einer Website, Broschüre oder einer Kampagne, die in Design, Fotografie und Sprache den Werten Sozialer Arbeit gerecht wird und gleichzeitig Aufmerksamkeit bei den Zielgruppen weckt.

Doch andererseits: Wer professionell kreativ arbeitet, kann sich in jedes Arbeitsfeld hineindenken. Auch in die Soziale Arbeit. Wichtig ist, sein Gegenüber ernst zu nehmen. Heterogenität bereichert. Und der Blick von außen – also, wirklich von außen – hilft schließlich immer wieder, blinde Flecke zu erkennen.

Was nun: Braucht es also spezielle Werbeagenturen für Soziale Arbeit? Das sagen Kolleg*innen:

Simon Sleegers, Designer und Sozialarbeiter:

»Nein, denn gute Arbeit entsteht aus professioneller Distanz«

Zwar stehe auch ich zwischen Design und Sozialer Arbeit, ich würde aber nicht sagen, dass Soziale Arbeit spezielle Designer braucht. Das würde ja im Umkehrschluss bedeuten, dass ich nicht gut eine Dachdecker-Firma oder eine Zahnärztin beraten könnte.

Diese Diskussion, ob eine persönliche biografische Nähe eher förderlich oder hinderlich ist, gibt es ja auch in der Sozialen Arbeit, z.B. im Kontext von Beratung. Es kann sein, dass ich als Berater die Erlebnisse meiner Klient*innen durch meine eigenen Erfahrungen besser verstehen kann – es kann aber auch sein, dass ich den Anderen meine Deutungen überstülpe, wenn ich davon ausgehe, dass ihre Erlebnisse meinen ähneln.

Da die Lebensgeschichten der Fachkräfte und die der Adressat*innen oft unterscheiden, sagt Soziale Arbeit: Gute Arbeit kommt nicht aus der Eingebundenheit, sondern aus der professionellen Distanz. Diese wird kombiniert mit dem Wissen um das systemische Nicht-Wissen und einer gewissen Neugier: »Ich weiß, dass ich dich nie wirklich verstehen kann. Aber ich will es dennoch gerne versuchen.«

Simon Sleegers ist Designer und Sozialarbeiter. Er hat Freude daran, beruflich zwischen den Stühlen sitzend über den Tellerrand zu schauen. Er kann gut zuhören – und seine Designphilosophie ist das »Miteinander Gestalten«: Wenn verschiedene Blickwinkel zusammenkommen, wird Gestaltung nicht nur schön, sondern auch sinnvoll. Seine Website: simonsleegers.de

Jona Hölderle, Berater, Coach und Referent

»Ja, denn die Arbeitsweisen sind andere«

Ich bin überzeugt, dass es spezielle Dienstleister für den sozialen Sektor braucht. Oft sind die Ziele, Zielgruppen und Arbeitsweisen von gemeinnützigen Organisationen deutlich anders als in anderen Sektoren, was zu Reibungen und fehlendem gegenseitigem Verständnis führen kann. Das bedeutet aber nicht, dass externe Agenturen immer schlecht sind. Sie können durch den externen Blick viel Mehrwert bieten, der Aufwand einer Zusammenarbeit ist aber fast immer höher.

Jona Hölderle unterstützt gemeinnützige Organisationen bei ihrer digitalen Ausrichtung durch Analyse, Strategieberatung, Seminare, Vorträge, als Sparringspartner oder Coach. Seine Vision: Eine wachsende Zivilgesellschaft, die auch im Digitalen aktiv ist! Zusammen mit zehn anderen Menschen hat er die Plattform Sozialmarketing.de gegründet, die unter anderem zu digitalem Fundraising informiert. Seine Website: pluralog.de

Oliver Viest, em-faktor

»Ja, denn ein soziales Angebot lässt sich nicht bewerben wie ein Konsumprodukt«

Gute Kommunikatoren können sich in alle Zielgruppen und Branchen hineindenken. Damit ist es auch für die Soziale Arbeit legitim, sich breite Unterstützung zu holen und zu prüfen, ob das unterstützende Kommunikations-Team die Branchenspezifika und die Ziele der Organisation verstanden hat. Auch die Kommunikationskanäle sind ja für die meisten Kommunikationsaufgaben gleich.

Aus unserer Erfahrung macht die Branchenerfahrung bei der Umsetzung allerdings schon einen großen Unterschied. Das beginnt mit den Mitarbeitenden in für die soziale Branche spezialisierten Agenturen. Diese sind meist wegen der klaren Ausrichtung auf diese Branche bei der Agentur. Damit ist ein Kundenauftrag nicht nur “Charity-Projekt” sondern Berufung für jeden einzelnen im Team. Das spüren die betreuten Organisationen besonders in länger andauernden Projekten.

Und: Ein soziales Angebot lässt sich nicht bewerben wie ein Konsumprodukt. Es sind andere Ziele und Zielgruppen damit verbunden. Hier geht es um Werte und Glaubwürdigkeit und nicht um Traumwelten, wie sie in der klassischen Werbung als Konsumanreiz inszeniert werden. Und da kann es anstrengend werden: Wo liegen tatsächlich die Qualitäten des Angebotes, wer entscheidet über den »Erfolg«: Die Klienten, oder doch deren Angehören – oder gar die Kassen? Die zentrale Frage ist: Wie schaffen wir Glaubwürdigkeit? Wenn es ein Konsumprodukt gibt, darf der Anbieter auch unglaubwürdig sein, trotzdem kann es erfolgreich sein. In der Sozialen Arbeit ist hingegen die geduldige und sensible Suche nach diesen Qualitäten und Werten die Grundlage von Kommunikationsstrategien und Kommunikationsmaßnahmen. Da ist es sehr nützlich, wenn man weiß wie die Mitarbeitenden sprechen und arbeiten, welche Werte sie bewegen.

Neben diesen weichen Faktoren gibt es bei der Sozialen Arbeit spezifische Themen, die auch eine spezifische Herangehensweise erfordern. Dazu gehört das Employer-Branding und die Gewinnung von Pflegekräften ebenso wie die Ansprache von Angehören. Aber auch barrierefreie Kommunikation und einfache Sprache sind wichtige Bausteine für diese Branche. Je mehr Erfahrung hier existiert, desto besser. Spezialisierte Agenturen können hier ganz sicher punkten.

Oliver Viest em-faktor

Oliver Viest ist Geschäftsführer von em-faktor, einer Agentur aus Stuttgart. Er regt an, nicht von Non-Profit-Organisationen zu sprechen, sondern von Social-Profit-Organisationen: »Was Social-Profits tun, können wir nicht Non-Profit nennen!«, sagt er. Hundert Prozent der Agenturleistungen von em-faktor zielen darauf auf, soziale und ökologische Bedingungen zu verbessern, also sozialen Nutzen zu generieren. Wenn sich dies in der Sprache ausdrücke, könne es zur Maxime unseres Wirtschaftens und Handelns werden.

Mehr Info: em-faktor.de oder em-faktor.de/social-profit-blog

Mein Tipp:

Checkliste: Wie du gute Partnerschaft zwischen Werbeagentur und Sozialer Organisation erkennst

  • Beide Seiten kalkulieren ausreichend Zeit für Austausch und Schulterblicke ein

  • Werteorientierte Kommunikation hat Vorrang vor Klickzahlen
  • Die Suche nach klischeefreien Bildern wird ernstgenommen und kreative Lösungen dafür gefunden

  • Sozialarbeiter*innen werden durch die Werbeagentur befähigt, ihr Wissen zielgruppengerecht weiterzugeben (Content Marketing)

  • Adressat*innen werden würdevoll dargestellt, kommen idealerweise selbst zu Wort und/oder testen die Werbemittel, so dass ihr Feedback einfließt

  • Es wird nicht gelästert und gewitzelt, sondern die Expertise des Gegenübers wertgeschätzt

Rebekka Sommer über Öffentlichkeitsarbeit Soziale Arbeit

Foto von Noah Buscher auf Unsplash

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