Marc Hasselbach

Marc Hasselbach, Sozialarbeiter und »digitaler Sozialunternehmer«

»Selbst betroffen« als Sozialarbeiter – wie gehe ich damit um?

Marc Hasselbach ist Coach, Sozialarbeiter und Sozialunternehmer am Bodensee. Und spricht ganz offen – und öffentlich – über seine Suchterkrankung.

Marc, war deine frühere Sucht der Grund für dich, Soziale Arbeit zu studieren?

Marc Hasselbach: Nein, so direkt kann ich das nicht sagen. Ich war früher drogenabhängig mit Heroin, Alkohol, Kokain. Nach dem Entzug hatte ich eine berufliche Orientierungsphase, die therapeutisch begleitet wurde. Klar war, dass ich nicht mehr zurück in meinen alten Beruf als Lacklaborant wollte. Ich wollte mit Menschen arbeiten, aber nicht – wie andere ehemalige Suchterkrankte – als Therapeut zurück in die Therapieklinik.

Aber ich habe meine eigenen Erfolge während der Therapie reflektiert, und das war mein Schlüsselmoment. Das Landratsamt finanzierte mir ein Jahrespraktikum, erst in einer Praxis für Ergotherapie, später im Jugendzentrum, um herauszufinden, ob ich mit Kindern und Jugendlichen arbeiten kann. Dann habe ich Soziale Arbeit studiert.

Welche Rolle spielt Sucht in deiner Arbeit?

Mit meinem Arbeitsalltag hat es erst einmal gar nichts zu tun. Ich bin heute Coach und mache Schulungen für Sozialarbeiter im medienpädagogischen Bereich. Aber trotzdem schwingt das Thema Sucht immer mit. Und sei es nur, wenn ich ein Paar coache, bei dem ein Partner als Kind von seinen suchterkrankten Eltern beeinflusst wurde. Und auch im Urlaub ging es mir kürzlich so: Silvester habe ich in Marokko gefeiert. Da stand ganz selbstverständlich eine Flasche Wein im Hotelzimmer, weil man dort davon ausgeht, dass Europäer Alkohol trinken.

Ist die Sucht immer präsent?

Richtig, ich halte sie quasi lauwarm. Und definiere mich permanent immer wieder als Süchtiger. Zum Beispiel leite ich eine Selbsthilfegruppe. Während des Studiums habe ich sogar mal versucht, eine Hausarbeit über Sucht zu schreiben.

Aber es ist schwierig, Klient und gleichzeitig Betroffener zu sein. Wenn du das als fachlich qualifizierter Sozialarbeiter machst, musst du immer wieder zwischen diesen Rollen immer wieder switchen. Ich denke, jemand der suchtkrank war, sollte nicht unbedingt in der Suchthilfe arbeiten.

Marc Hasselbach

Marc, war deine frühere Sucht der Grund für dich, Soziale Arbeit zu studieren?

Marc Hasselbach: Nein, so direkt kann ich das nicht sagen. Ich war früher drogenabhängig mit Heroin, Alkohol, Kokain. Nach dem Entzug hatte ich eine berufliche Orientierungsphase, die therapeutisch begleitet wurde. Klar war, dass ich nicht mehr zurück in meinen alten Beruf als Lacklaborant wollte. Ich wollte mit Menschen arbeiten, aber nicht – wie andere ehemalige Suchterkrankte – als Therapeut zurück in die Therapieklinik.

Aber ich habe meine eigenen Erfolge während der Therapie reflektiert, und das war mein Schlüsselmoment. Das Landratsamt finanzierte mir ein Jahrespraktikum, erst in einer Praxis für Ergotherapie, später im Jugendzentrum, um herauszufinden, ob ich mit Kindern und Jugendlichen arbeiten kann. Dann habe ich Soziale Arbeit studiert.

Welche Rolle spielt Sucht in deiner Arbeit?

Mit meinem Arbeitsalltag hat es erst einmal gar nichts zu tun. Ich bin heute Coach und mache Schulungen für Sozialarbeiter im medienpädagogischen Bereich. Aber trotzdem schwingt das Thema Sucht immer mit. Und sei es nur, wenn ich ein Paar coache, bei dem ein Partner als Kind von seinen suchterkrankten Eltern beeinflusst wurde. Und auch im Urlaub ging es mir kürzlich so: Silvester habe ich in Marokko gefeiert. Da stand ganz selbstverständlich eine Flasche Wein im Hotelzimmer, weil man dort davon ausgeht, dass Europäer Alkohol trinken.

Ist die Sucht immer präsent?

Richtig, ich halte sie quasi lauwarm. Und definiere mich permanent immer wieder als Süchtiger. Zum Beispiel leite ich eine Selbsthilfegruppe. Während des Studiums habe ich sogar mal versucht, eine Hausarbeit über Sucht zu schreiben.

Aber es ist schwierig, Klient und gleichzeitig Betroffener zu sein. Wenn du das als fachlich qualifizierter Sozialarbeiter machst, musst du immer wieder zwischen diesen Rollen immer wieder switchen. Ich denke, jemand der suchtkrank war, sollte nicht unbedingt in der Suchthilfe arbeiten.

Marc Hasselbach

»Du brauchst ein enorm hohes Maß an Selbstreflexion«

Und genau das gibt es oft in der Sozialen Arbeit: dass Betroffene zu Fachkräften werden und an ihrem eigenen Lebensthema arbeiten. Denkst du, es gibt einen Weg, damit professionell umzugehen? Oder sollte man die Finger davon lassen?

Ich habe schon beides erlebt: superprofessionelle Arbeit von früheren Betroffenen, die seit 30 Jahren in der Suchthilfe arbeiten. Und andere, bei denen die Kommunikation auf Augenhöhe mit den Kunden nicht klappt. Es braucht dafür ein vielfach höheres Maß an Selbstreflektion als die „normale“ Sozialarbeit.

Selbstreflexion als Lebensaufgabe

„Was steht hinter der Sucht? Das ist mein Lebensthema.“

Du selbst trittst öffentlich als Experte für Sucht auf, zum Beispiel in deinem Podcast »Sozifon«.

Richtig, ich werde auch immer wieder für Podiumsdiskussionen etcetera angefragt. Man weiß ja, wie das läuft: Die Veranstalter brauchen einen ehemaligen Suchtkranken, der seine Story erzählt, und mein Name taucht im Netz halt schon auf. Lange habe ich das gern gemacht.

Aber allmählich merke ich, dass ich einen hohen emotionalen Preis dafür zahle. Wieso muss ich mir das eigentlich immer wieder antun? Der Punkt ist: Es ist scheißegal, ob du einen Bachelor hast oder einen Master – du trittst bei solchen Anlässen immer nur als »ehemaliger Suchtkranker« auf. Dabei ist die Sucht nicht mein Alleinstellungsmerkmal, sie gibt nicht meine Kompetenz wieder. Ich bin in anderen Sachen viel eher Experte, als in dem.

Nervt es dich?

Nein, es nervt nicht. Es ist mein Lebensthema. Aber nicht die Sucht, sondern die Frage: Was steht dahinter? Was hat mich zum Trinken gebracht? Am liebsten beschäftige ich mich mit der Motivation. Denn wichtig ist, dass ich weiß, warum ich etwas tue. Warum ich jemanden schlecht behandle. Auch mich selbst.

Oder in meinem Fall: Warum ich mich von etwas abhängig mache – und wie es schaffe, unabhängig, selbständig zu sein, in vielen Beziehungen. Das ist die Verbindung zu meiner Arbeit. Es lassen sich daraus gute Parallelen ziehen, genauso wie aus der Wissenschaft.

A propos Parallelen: Ich habe einen Bekannten, der Rollstuhl fährt und immer wieder erzählt, welche absurden Begegnungen er durch seine Behinderung macht. Bei mir ist das Alleinerziehen sehr präsent, da trifft man auch auf Vorurteile und die ein oder andere Behinderung. Wir beide haben im Spaß mal überlegt, gemeinsam über unsere Erfahrungen ein Buch zu schreiben. Wärst du auch dabei?

Ja, das ist eine gute Idee. Komm, lass uns ein Buch schreiben! Die Themen sind durchaus vergleichbar. Als ich im letzten Jahr mit meinem Podcast begonnen habe, genoss ich es regelrecht, dass das Thema Sucht wieder in mein Leben kam. Wenn man täglich podcastet, kann man die Themen ja nicht tief behandeln. Aber mit der Sucht als Anreißer konnte ich viele Querverbindungen herstellen. Das hat zu einem gewissen Erfolg beigetragen. Manche Menschen hat es verwirrt, dass ich so offen damit umging. Ich wohne ja hier im konservativen Oberschwaben und war auch Arbeitgebern gegenüber immer sehr offen. Die wussten in Honorarverträgen oft gar nicht, wie sie damit umgehen sollten. Aber für mich ist das wichtig: Zu sagen, wer ich bin.

Ich will nicht süchtig sein, das ist ein spürbares Defizit. Aber ich bin es nunmal. Und ich kann es für mich selbst nutzbringend und positiv einsetzen. Dass ich das sagen, schreiben oder in ein Podcast verpacken kann, dass ich der Welt meine Botschaft vermitteln kann – das ist doch ein Geschenk!

Du selbst trittst öffentlich als Experte für Sucht auf, zum Beispiel in deinem Podcast »Sozifon«.

Richtig, ich werde auch immer wieder für Podiumsdiskussionen etcetera angefragt. Man weiß ja, dass es so läuft: Die Veranstalter brauchen einen ehemaligen Suchtkranken, der seine Story erzählt, und mein Name taucht im Netz schon auf. Lange habe ich das gern gemacht.

Aber allmählich merke ich, dass ich einen emotionalen Preis zahle. Wieso muss ich mir das antun? Es ist scheißegal, ob du einen Bachelor hast oder einen Master – du trittst dann nur als ehemaliger Suchtkranker auf. Dabei ist die Sucht nicht mein Alleinstellungsmerkmal, sie gibt nicht meine Kompetenz wieder. Ich bin in anderen Sachen eher Experte, als in dem.

Nervt es dich?

Nein, es nervt nicht. Es ist mein Lebensthema. Aber nicht die Sucht, sondern die Frage: Was steht dahinter? Was hat mich zum Trinken gebracht? Am liebsten beschäftige ich mich mit der Motivation. Denn wichtig ist, dass ich weiß, warum ich etwas tue. Warum ich jemanden schlecht behandle. Auch mich selbst.

Oder in meinem Fall: Warum ich mich von etwas abhängig mache – und wie es schaffe, unabhängig, selbständig zu sein, in vielen Beziehungen. Das ist die Verbindung zu meiner Arbeit. Es lassen sich daraus gute Parallelen ziehen, genauso wie aus der Wissenschaft.

A propos Parallelen: Ich habe einen Bekannten, der Rollstuhl fährt und immer wieder erzählt, welche absurden Begegnungen er durch seine Behinderung macht. Bei mir ist das Alleinerziehen sehr präsent, da trifft man auch auf Vorurteile und die ein oder andere Behinderung. Wir beide haben im Spaß mal überlegt, gemeinsam über unsere Erfahrungen ein Buch zu schreiben. Wärst du auch dabei?

Ja, das ist eine gute Idee. Komm, lass uns ein Buch schreiben! Die Themen sind durchaus vergleichbar. Als ich im letzten Jahr mit meinem Podcast begonnen habe, genoss ich es regelrecht, dass das Thema Sucht wieder in mein Leben kam. Wenn man täglich podcastet, kann man die Themen ja nicht tief behandeln. Aber mit der Sucht als Anreißer konnte ich viele Querverbindungen herstellen. Das hat zu einem gewissen Erfolg beigetragen. Manche Menschen hat es verwirrt, dass ich so offen damit umging. Ich wohne ja hier im konservativen Oberschwaben und war auch Arbeitgebern gegenüber immer sehr offen. Die wussten in Honorarverträgen oft gar nicht, wie sie damit umgehen sollten. Aber für mich ist das wichtig: Zu sagen, wer ich bin.

Ich will nicht süchtig sein, das ist ein spürbares Defizit. Aber ich bin es nunmal. Und ich kann es für mich selbst nutzbringend und positiv einsetzen. Dass ich das sagen, schreiben oder in ein Podcast verpacken kann, dass ich der Welt meine Botschaft vermitteln kann – das ist doch ein Geschenk!

»Sozifon« – der Podcast

Hier geht’s zum Podcast von Marc Hasselbach: sozifon.de

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